Interview mit Bruno Burkhalter, Verfahrensingenieur beim Wasserverbund Region Bern AG
Der Wasserverbund Region Bern AG (WVRB) versorgt eine Viertelmillion Menschen mit Trinkwasser, für dessen Qualität Bruno Burkhalter als Verfahrensingenieur verantwortlich ist. Von der Rohwassergewinnung über den Transport bis zur Desinfektion behält er alle Schritte im Auge, damit nur das reinste Wasser ins Berner Netz gelangt.
Wir wollten wissen, wie er diese Aufgabe bewältigt und trafen ihn zum Interview im Pumpwerk Belpau – einer von drei Grundwasserstationen, in denen der WVRB BactoSense einsetzt, um die Mikrobiologie des Trinkwassers jederzeit zuverlässig zu überwachen.
Herr Burkhalter, wie fühlt es sich an, für das Trinkwasser und damit für die Gesundheit von 250'000 Menschen verantwortlich zu sein?
Es ist sicherlich eine grosse Verantwortung. Wir haben die Mittel und scheuen keine Kosten, die notwendig sind, um eine hohe Qualität zu gewährleisten. Wir sind immer bestrebt, unser Wasser sicher zu halten.
Sie betreiben ein komplexes System mit Wasserfassungen, Reservoirs und einem umfangreichen Netz von Transportleitungen. Wie stellen Sie sicher, dass alles reibungslos und sicher funktioniert?
Wir haben viele Prozesssteuerungen, die uns das tägliche Leben erleichtern. Unsere beiden Hauptpumpwerke (Belpau und Schönau) arbeiten nach einem Energieplan. Die Wassermenge zum Füllen der Reservoirs wird am Vortag bestellt und auf die Pumpwerke aufgeteilt.
Für die peripheren Reservoirs und Pumpstationen arbeiten wir mit einer Sollkurve, die die Anzahl der zum Füllen der Reservoirs benötigten Pumpen definiert. Wir haben auch verschiedene Alarme für Durchflussmenge und Qualitätsdaten. Es gibt immer mindestens einen Bereitschaftsdienst, der je nach Priorität des Alarms reagiert – die Reaktionszeiten liegen zwischen "sofort" über "6-10 Uhr am nächsten Tag" bis zu "keine sofortige Reaktion erforderlich".
Worin bestehen Ihrer Meinung nach die grössten Gesundheitsrisiken?
In unserem Wasserversorgungssystem hätte eine bakterielle Verunreinigung sicherlich die grösste Tragweite. Weitere bedeutende Gefahren sind Öl- und Chemikalien-Verschmutzungen aufgrund der Nähe zum Fluss.
In Kiesen besteht die Gefahr, dass Stoffe ins Wasser gelangen, weil die Aare, die das Grundwasser speist, von einer Eisenbahn und einer Autobahn durchquert wird, auf der Gefahrgut transportiert wird.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in Ihrem Verantwortungsbereich?
Es geht darum, schlechte Ergebnisse richtig zu interpretieren und die richtigen Entscheidungen für die Gesundheit der Verbraucher zu treffen. Wird zum Beispiel an einer Stelle ein Grenzwert der Trinkwasserverordnung (TBDV) überschritten, muss eine Massnahme eingeleitet werden. Das kann bedeuten, dass an anderen Stellen Nachkontrollen durchgeführt werden müssen.Die Gesamtbetrachtung ist wichtig und schnelles, angemessenes Handeln.
Vor Jahren gab es einen Gülleunfall in der Schutzzone, der auch den Bach in der Nähe des Einzugsgebiets betraf. Zufällig wurde damals eine Probe entnommen und E.Coli nachgewiesen. Das Wasser wurde nicht mehr verwendet und eine Notchlorung eingeleitet. Die nächste bakteriologische Probe, die analysiert wurde, war wieder einwandfrei.
Was sind Ihre kritischen Kontrollpunkte und was wird dort gemessen?
Die kritischen Kontrollpunkte nach HACCP betreffen in Bern nur die Desinfektion (nachgewiesene Energiemenge bei UV oder Konzentration bei Chlordosierung), denn ein kritischer Kontrollpunkt ist ein Schritt, bei dem ein mögliches Risiko auf ein akzeptables Risiko herabgesetzt werden kann.
Die wichtigsten anderen Kontrollpunkte sind Schutzzonen, Messpunkte bei der Entnahme, Reservoirs und Laboranalysen aus dem Netz. Hierfür werden verschiedene Methoden eingesetzt:
Messpanels mit Temperatur, pH, Leitfähigkeit, Redox, Trübung, spektraler Absorptionskoeffizient (SAK) und teilweise Sauerstoff und TCC/HNAP (Durchflusszytometrie)
Laboranalysen: Fassung bis Reservoir + Transportleitungen zwischen den Gemeinden. Die Gemeindenetze werden von den Gemeinden selbst überwacht.
Der WVRB verwendet BactoSense seit zwei Jahren. Wo ist er installiert und inwiefern profitieren Sie davon?
BactoSense wurde zunächst in der Hauptpumpstation installiert, wo das Wasser gemischt und aufbereitet wird. Aufgrund der Leitungsführung und Pumpenstillständen kam es zu starkem Bakterienwachstum.Um diese Messanordnung zu verbessern, wurde BactoSense in den Grundwasserbrunnen verlegt - was insbesondere aufgrund der Überschwemmungen im letzten Jahr erhebliche Erkenntnisse brachte. Generell stellten wir im Brunnen eine gute Stabilität fest.
Wir haben mit den Ergebnissen von BactoSense festgestellt, dass wir mit der SAK-Messung für unsere Grundwasserbrunnen gut aufgestellt sind. Da BactoSense aber viel empfindlicher misst, ist es sinnvoll, es im Transportsystem einzusetzen. Wir vermuten dort noch erhebliche Gefahren und hoffen, dass wir kleine Abweichungen schneller und besser zu detektieren.
Was erwarten Sie zukünftig von BactoSense?
Wir haben bereits Multisonden ausprobiert, welche nicht die gewünschten Ergebnisse lieferten. Wir erhoffen uns von dem direkten Messprinzip des BactoSense mehr Informationen über den Einfluss von Verunreinigungen und eine bessere Kontrolle. So könnte zum Beispiel eine Verunreinigung im Transportnetz durch BactoSense erkannt und die Wirkung im Sekundärnetz beobachtet werden.
EWB nimmt hier wöchentlich Laborproben (Plattierung und Gesamtzellzahl). Mit der Erkenntnis, wie sich die mikrobiologische Verunreinigung auf das Verteilnetz auswirkt, könnten wir auch die Reaktion besser ableiten.
Was sind Ihrer Erfahrung nach die Vorteile der Online-Durchflusszytometrie im Vergleich zur klassischen Plattierungsmethode?
Die schnelle Verfügbarkeit der Ergebnisse und die Online-Anbindung ermöglichen die sofortige Erkennung von Gefahren, so dass gezieltere Massnahmen ergriffen werden können. Im Vergleich zu früher sind wir sensibler für mikrobiologische Verunreinigungen.
Wenn die Gesamtzellzahl (TCC) hoch ist, wissen wir, dass eine mikrobiologische Verunreinigung vorliegt, was mit der Plattierungsmethode nicht hätte festgestellt werden können. Dies hilft uns bei der Entscheidung, wie schnell wir im Falle eines Alarms der Chlordioxidanlage reagieren müssen.
"Die direkte Verfügbarkeit der mikrobiologischen Ergebnisse hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Reaktion, denn man erhält sofort ein Ergebnis und nicht erst drei Tage später."
Wo wünschen Sie sich eine bessere Kontrolle der Wasserqualität?
Das heutige Konzept konzentriert sich auf die Kontrolle an der Fassung und den Abgabestellen. Der Transport ist zum Teil noch recht unbekannt. Es wäre schön, wenn das Transportnetz besser überwacht werden könnte. Eine Messung am Endpunkt, dem Wasserhahn, wäre wünschenswert – wenn auch Hausbesitzer eine Selbstkontroll-Pflicht hätten.
Vor einigen Jahren rief mich eine Hausverwaltung an, weil deren Wartungspersonal an Legionellose erkrankt war und man dachte, dass das von uns gelieferte Wasser schlecht gewesen sei. Allerdings lag es an einem Hausinstallations-Problem.
Wie wird sich die Bewirtschaftung der Wasserqualität Ihrer Meinung nach in den nächsten 20 Jahren verändern?
Wir werden mit immer mehr Mikroverunreinigungen konfrontiert werden. Nicht weil sie neu sind, sondern weil wir sie immer genauer nachweisen können. Je nachdem, welche Methode man anwendet, befinden wir uns bereits im Nanobereich. Das wird die Wasserwirtschaft sicherlich verändern und kann zu einer mehrstufigen Grundwasseraufbereitung oder zur Entwicklung einer gewissen Akzeptanz führen.
Kennzahlen zum WVRB |
Wasserherkunft: rund 99,5 % Grundwasser und 0,5 % Quellwasser Förderleistung: rund 111.000 Liter pro Minute Durchschnittliche Tagesproduktion: 60-65'000 m³ Anzahl der versorgten Einwohner: ca. 250'000 |
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